Zu Fuß hält die Seele Schritt

 

- auf dem Jakobsweg in Spanien vom 21. - 26. Mai 2023

 

"Weshalb pilgere ich auf dem Jakobsweg in Spanien". Das ist eine Frage, die sich sicher jeder Pilger stellte, den wir auf dem Weg von Pamplona nach Nájèra getroffen habe. Für uns ist die Frage ganz einfach zu beantworten: "Weil Gabi und Wolfgang uns gefragt habe, ob wir mitgehen". Und wir ganz spontan gesagt haben: "Ja, wollen wir."

 

Nein, so einfach ist es dann doch nicht.

 

Denn mehrere Tage hintereinander 7-8 Stunden zu Fuß unterwegs zu sein, ist nicht ganz harmlos und man sollte sich das schon vorher gut überlegen.

 

Einige Erkenntnisse, die wir in 5 Tagen auf dem Camino Francés gewonnen haben, (ob banal: "du brauchst keine Powerbank mitzunehmen um das Handy zu laden", oder philosophisch: "das Leben ist genau wie der Jakobsweg, es geht immer auf  und ab.") sind in dem nun folgenden  "Pilgertagebuch" festgehalten. 

Aber eines nach dem anderen. Erst wird der Rucksack mit dem Allernötigsten gefüllt. (An der Schwere des Rucksacks erkennt man den Pilgerlaien.) Dann sucht man tagelang den Pilgerpass und am Ende wird die Jakobsmuschel an den Rucksack gehängt. So, ab jetzt sind wir Pilger und es kann losgehen.

 

Es kann losgehen? Ja, wenn man sich am Startpunkt befindet. Aber der liegt (Pamplona !) ca. 1400 km entfernt.

Dank eines spannenden Hörbuchs (Achtsam Morden auf dem Jakobsweg) überbrücken wir die Entfernung mit einem Zwischenhalt in der Nähe von Bordeaux und kommen am folgenden Tag um die Mittagszeit in Pamplona in unserer Pilger -nein - Nobelherberge (Zenith-Hotel) an. Natürlich nutzen wir den Nachmittag für einen Bummel in der Stadt. Hier gibt es in der Caminoteca die Möglichkeit, alles Notwendige für den Pilgerweg - z.B. Blasenpflaster oder einen Wanderstock - einzukaufen.  Das brauchen wir natürlich nicht, denn wir sind perfekt vorbereitet!

 

 

fehlt uns noch etwas für unsere Pilgertour? Nein!
fehlt uns noch etwas für unsere Pilgertour? Nein!

 

1. Pilgertag - von Pamplona nach Puente la Reina (25 km)

 Start unseres Pilgerwegs ist die Catedrale Santa María la Real, wo wir uns eigentlich unseren "Eingangs"-Stempel abholen wollten. Aber wir sind so früh aufgestanden, dass die Kirche noch gar nicht geöffnet ist. Und so pilgern wir durch eine erst langsam erwachende Stadt und genießen die ruhige Atmosphäre am Sonntag morgen.

 

Erkenntnis 1:

 Vergiss Google Maps, Vergiss jegliche Art von Papierkarten. In der Stadt Pamplona und auch in anderen Städten weist die Jakobsmuschel aus Messing im Abstand von 3 Metern den Weg. (siehe Bild oben). Und auch auf offener Strecke ist es schlichtweg unmöglich, vom Weg abzukommen. Dort sind überall gelbe Hinweispfeile und das Muschel-Symbol. Sollte man tatsächlich einmal im Zweifel sein und man sieht vor sich keinen Pilger, so wartet man einfach 20 Sekunden. Dann kommt mit 99%-iger Sicherheit ein Pilgergrüppchen, dem man dann einfach unauffällig folgt.

 

Es kann aber auch ein größeres Grüppchen sein. Kurz nach der Stadtgrenze von Pamplona stoßen wir auf einen Reisebus, der gerade ca. 70 Koreaner und Koreanerinnen ausgespuckt hat und die kurz vor uns in den Camino einbiegen. Nachdem wir in einem rekordverdächtigen Spurt die ganze Gruppe überholt haben, konnten wir wieder einigermaßen frei atmen. Aber die asiatische Gruppe war uns immer dicht auf den Fersen.

Nach Überquerung des Alto del Perdòn, dem höchsten Punkt der Etappe erreichen wir am frühen Nachmittag unsere erste Herberge im Zentrum von Puente la Reina, wo wir in einem 6-Bettzimmer mit Terrasse relativ komfortabel unterkommen.

 

Erkenntnis 2:

Abends essen wir in einem Pilgerrestaurant das 3-gängige Pilgermenü (incl. Wein) für 15 Euro und staunen nicht nur über den Preis, sondern auch über die Qualität. Diese speziellen Restaurants haben den Vorteil, dass sie schon sehr früh öffnen. Also ideal für uns. Denn normalerweise isst man in Spanien nicht vor 21 Uhr. Und das ist für einen Pilger, der früh raus muss, eindeutig zu spät.

Wegweiser in Pamplona
Wegweiser in Pamplona
Alto del Perdón
Alto del Perdón
Mittagstisch
Mittagstisch
Puente de Reina
Puente de Reina
Puente de Reina
Puente de Reina
Angekommen😄
Angekommen😄


 

 

2. Pilgertag - von Puente la Reina nach Azqueta (29 km, gefühlt 35 km)

 

 

  Heute ist unsere längste Etappe - das haben wir - Planung hin, Planung her, erst im Laufe des Wegs festgestellt. Eine Hoffnung hielt uns allerdings am Laufen : Der Weintankstelle in Irache, wo man sich kostenlos bedienen kann. Wir hatten uns nämlich als Aufputschmittel für die letzten paar Kilometer einen Schluck Wein aus dem dortigen Weinbrunnen erhofft. Aber nur der Wasserhahn lief noch; der Weinhahn war versiegt. Eine Gruppe Radfahren war wohl vor uns dort und hat ihre Wasserflaschen in Weinflaschen verwandelt. Aber einen Trost gab es für uns: Nach Aussage  von Rudolf, der den Wein im vergangenen Jahr probiert hat, soll er grausam schmecken. Wir hätten ihn trotzdem probiert! 

Aber so hat uns das Ankunftsbier aus der Dose in der Unterkunft in Azqueta ganz hervorragend geschmeckt. 

Und außerdem überqueren wir am nächsten Tag die Grenze zum Rioja-Weinanbaugebiet, wo uns hoffentlich ein hervorragender Wein erwartet.

 

In unserer Herberge La Perla Negra wurden wir von der Herbergsmutter Helena und ihren Mitarbeitern sehr herzlich empfangen. Zum Glück hatten wir gebucht, denn die Pilgerin, die nach uns ankam, musste mit der Garage vorlieb nehmen. Und dann war die Herberge voll.

Abends saßen alle an einem Tisch und wurden mit einem tollen asiatische Reisgerichte verwöhnt. 

 

Nach einem für deutsche Verhältnisse spärlichen Frühstück, "Buon Camino", einer herzliche Umarmung und Glöckchengeläute wurden wir am folgendem Morgen auf den weiteren Weg verabschiedet.  

 

Erkenntnis 3:

 

Im Vorhinein Unterkunft buchen heißt: Ankommen müssen! Und dann auch mal eine Etappe von 30 km oder mehr laufen müssen. Nicht buchen heißt: In der Garage übernachten, wenn man Glück hat oder weiter laufen,  wenn man schon fix und fertig ist. Oder man hat bei einer Gruppe immer wieder die Diskussion:“ Sollen wir jetzt schon eine Unterkunft nehmen, oder erst später? " Zu einem Zeitpunkt also, zu dem sich jeder eventuell anders fühlt. Also" Was ist besser?“ Diese Frage hat Wolfgang  mit "Buchen" beantwortet und das war aus unserer Sicht richtig.

 

 

3. Pilgertag - von Azqueta nach Sansol bei Los Arcos (25 km)

 

 Unser heutiges Ziel ist das Palacio de Sansol, ein ehemaliges Herrenhaus und eher eines der komfortablen Unterkünfte. 

In dieser Herberge betreuen uns vor allem sogenannte Hospitaleros. Das sind Freiwillige, die für einige Zeit in der Herberge arbeiten und sich um alle Aspekte kümmern. Einer von ihnen begrüßte uns am Abend an der langen Tafel im Namen des Besitzers. Der Hausherr hat sicherlich die 80 überschritten, ist nach wie vor in der Küche und dem Service aktiv, nimmt sich aber trotzdem die Zeit,  mit jedem, der will ein Schwätzchen zu halten. Dies allerdings in Spanisch, wobei ihm Google hilft, seine Aussagen ins Englische zu übersetzen.

Erkenntnis 4: 

Die Pilger kommen aus aller Herren Länder und Kontinente. Nur Afrika scheint nicht vertreten zu sein, Wir haben auf dem ganzen keinen einzigen Schwarzen getroffen. Und das, obwohl der Anteil Christen in Afrika fast 50 % beträgt. Aber das mit Christen und Jakobsweg ist noch eine andere Geschichte/Erkenntnis. 

Sehr viele Pilger kommen aus Asien. Aber auch die Anreise aus Nord - und Südamerika ist sehr weit und es stellt sich schon die Frage: Was sind die Beweggründe um auf dem Jakobsweg zu pilgern. Ein Reiseführer liefern eine klare Antwort: 

Zur Zeit der Entstehung des Jakobskults im Mittelalter pilgerte man vorrangig aus religiösen Gründen. Heute gibt es wahrscheinlich so viel Gründe, den Jakobsweg zu begehen, wie es Pilger gibt.

Beispiel dafür ist unsere Pilgerbekanntschaft "Jutta" aus Niederösterreich. "Mein Mann geht zum Angeln nach Norwegen, dann habe ich mir gedacht, gehst auf den Jakobsweg".

 

.... caminando va, machen wir uns auf ....
.... caminando va, machen wir uns auf ....
Rioja
Rioja
Auch die Gänse wandeln auf dem Jakobsweg
Auch die Gänse wandeln auf dem Jakobsweg
Fastentag?
Fastentag?
Nein, nicht ganz
Nein, nicht ganz
rot oder weiß?
rot oder weiß?

4. Pilgertag - von Sansol nach Logroño (22 km)

Der Wanderweg nach Logroño verläuft im Wesentlichen entlang von Weinbergen, aber auch teilweise entlang der Autobahn, ist also relativ langweilig. Die Erkenntnis ist aber:

 

Erkenntnis 5:

 

Nach einigen Tagen läuft man einfach so vor sich hin. Man läuft und läuft und läuft und sieht automatisch, wo man hintreten sollte und wo nicht.  Und hängt seinen Gedanken nach. Ich kann mir gut vorstellen, dass man auf diese Weise auch die restlichen 30 Etappen bis Santiago de Compostela bewältigen kann - und das auch ganz allein!

 

Logroño ist eine Großstadt mit ca. 150000 Einwohner, liegt am Ebro und ist Hauptstadt der Provinz La Rioja. 

 

Erkenntnis 6: Was scheren mich die Hauptattraktionen der Stadt

  

Auf den Hinweis "Würth-Museum" gibt es bei uns immer den gleichen Reflex: "Müssen wir gesehen haben". Denn es gibt eines in Rorschach und das zieht uns immer wieder magisch an. Auch hier in Logroño gibt es ein Würth- Museum und unter normalen Umständen hätte uns nichts davon abgebracht es zu besuchen, zumal wir schon um die Mittagszeit in der Stadt ankamen. Aber wir sind auf dem Jakobsweg und man ist vom Laufen so fertig (und muss seine Blasen an den Füßen pflegen), dass man einfach keine Antenne für die kulturellen Highlights hat. 

 

Unsere Unterkunft in Logroño gehört zu den Bescheidenen. Wir haben zwar ein 4-Bettzimmer, aber nicht viel Platz. Abends gibt es in der Unterkunft ein Pilgermenü das sehr gut ist, aber in rekordverdächtiger Zeit serviert wird. Die Hospitaleros hatten wohl abends in der Stadt noch etwas zu erledigen.

Aber bei 3 Gängen für 13 Euro kann man sich - auch wenn die Nachspeise nur ein Stück Melone ist - nicht beklagen. Immerhin war noch ein halber Liter Rotwein pro Person dabei.

Viana: Mittagstisch mit Tortilla und Vino tinto - aber leider nicht für uns.
Viana: Mittagstisch mit Tortilla und Vino tinto - aber leider nicht für uns.

 

 

5. Pilgertag von Logrono nach Najera (29 km)

 

 Peregrino: En Najera, najerino (Pilger: In Najera bist du Najeraner). 

So wird man am Ortsrand von Najero empfangen. Aber ausgerechnet hier erleben wir die einzige unangenehme Situation auf der gesamten Pilgertour. Dass in der Herberge in Najera aus einem 6-Bettzimmer ein 7-Bettzimmer gemacht wurde, infolgedessen für einen von uns keine Decke zur Verfügung stand, haben wir ja noch mit etwas gutem Willen akzeptiert. Für die Beschimpfung durch den "Frühstücksmanager" weil wir es gewagt hatten, um eine zweite Tasse Kaffee zu bitten, fehlte uns dann aber jedes Verständnis. Aber auch das gehört wohl zum Camino, ist nach unserem Erleben aber sicherlich die extreme Ausnahme.

 

Erkenntnis 7: Christen und der Jakobsweg

  

"Zur Zeit der Entstehung des Jakobskults im Mittelalter pilgerte man vorrangig aus im engen Sinn religiösen Gründen. Pilgerinnen und Pilger nahmen den beschwerlichen und auch gefährlichen Weg nach Santiago als sichtbares Zeichen der Verehrung des Apostel Jakobus und der Treu zum christlichen Glauben auf sich", so unser Wanderführer. 

Heute scheint das ganz anders zu sein. Wir haben am Weg einige Kirchen und Kapellen angetroffen, die geschlossen waren und in einer Kirche musste man Eintritt zahlen. Ich hätte eigentlich erwartet, dass man immer wieder in Kirchen kleine Grüppchen antrifft, die gemeinsam Beten oder Singen. Fehlanzeige!

 

Erkenntnis 8: Pilger sind keine Schweine

  

Fast ein halbe Million Menschen pilgern jährlich auf dem Camino Francés, also wahrscheinlich mehr als auf jedem anderen Wanderweg. Und es erstaunt, dass auf der gesamten Strecke, die wir gepilgert sind, kein Stückchen Müll am Wegrand lag. 

Pilger nehmen offensichtlich nicht nur die nötigsten Dinge im Rucksack mit, sondern auch ihren Müll.

 

 

Rückfahrt von Najera nach Pamplona mit dem Bus

 

Es war eine gute Entscheidung, mit dem Bus und nicht mit dem Zug zurück an unseren Ausgangsort Pamplona zu fahren. Uns wurde dabei erst bewusst, welche enorme Strecke wir zu Fuß bewältigt haben. Denn wir kamen an ganz vielen Stellen und Orten vorbei, die wir schon vom Camino kannten und immer wieder sahen wir Pilger auf "unserem" Weg.

Bei der Ankunft in Pamplona waren wir erleichtert und mussten uns erstmal gegenseitig auf die Schulter klopfen.

 

Zurück in Pamplona
Zurück in Pamplona
Nach 125 km !
Nach 125 km !
Superman vor der Stierkampfarena
Superman vor der Stierkampfarena
So viele Kalorien haben wir dann doch nicht verbraucht ...
So viele Kalorien haben wir dann doch nicht verbraucht ...

 

Und was ist die Haupterkenntnis unserer Pilgerreise auf dem Jakobsweg?

Die folgende Aussage stammt zwar nicht von uns, können wir aber nur unterschreiben:

 

Wenn alle Menschen so miteinander umgehen würden, wie auf dem Camino,

hätten wir eine bessere Welt.

 

 

 

 Und wer feststellen will, ob wir auch mal in Santiago de Compostela ankommen:   Camino Francés 2024