Mit dem Wohnmobil in Sizilien vom 9. - 30. Mai 2022
Vorbemerkung:
Im Jahre 2015 waren wir mit dem Reisedienst Naturfreunde Ingolstadt eine Woche lang in Sizilien mehr >>>.
Eine Woche Sizilien? Unmöglich! Für die absoluten Highlights wie Monreale, Villa Romano del Casale, Ätna, Taomina und "Der Pate" mag es ja reichen. Aber um Sizilien kennen zu lernen, natürlich nicht. Es wäre vermessen zu behaupten, wir hätten Sizilien nach unserer jetzigen 3-wöchigen Reise wirklich kennen gelernt. Aber auf jeden Fall haben wir es lieben gelernt.
Schon bei der Planung der Reise habe ich meine Mitfahrer Rosa, Dieter und Suse mit der Aussage genervt: "Die Touristenattraktionen kenne ich schon. Ich will nur meinen Reiseführer '99 x Sizilien, wie Sie es noch nicht kennen' abarbeiten, dann bin ich zufrieden". Das habe ich natürlich nicht so ernst gemeint, aber wir haben aus dem Buch doch viele interessante Tipps (vom Milzbrötchen in Palermo über die Türkische Treppe bis zur Totenstadt Gibbelina) entnommen, weshalb ich es jedem Sizilien-Reisenden wärmstens empfehlen will.
Aber noch Zuhause: Ben weist uns in das Wohnmobil ein. "Opa, die Batterie ist nicht mehr ganz gut" und "Du darfst nicht in zu enge Straßen rein fahren!" Er hatte recht!
Mit der Fähre von Genova nach Palermo
Unsere Reise beginnt mit der Fahrt nach Genua, von wo aus wir die Fähre nach Palermo gebucht haben. Nach einer Irrfahrt durch Genua erreichen wir den Parkplatz und stehen viel zu früh mit einer ganzen Reihe weiterer Wohnmobile in der Schlange zur Fähre La Superba der Schiffsgesellschaft GNV, einem überdimensionalen, monströsen Quader, der Tausende Tonnen Metall in Form von PKW, Wohnmobilen und Lastwagen in seinem Inneren verschlingt.
Aber erst mal heißt es Geduld üben, denn das Beladen beginnt in ca. 4 Stunden und das Ablegen weitere 3 Stunden später (23 Uhr).
Immerhin sind die Temperaturen angenehm. Nicht vorstellbar, wenn es jetzt August wäre und der heiße Asphalt unter uns dahinschmelzen würde. Dass dies wahrscheinlich auch auszuhalten wäre, sehen wir an den Fährenprofis, die jetzt ihre Bierkästen auspacken und in der Sonne und dem Abgasgestank ihr mitgebrachtes Weizenbier schlürfen.
Aber die Zeit vergeht und irgendwann werden wir von einem überaus unfreundlichen Personal und nach sehr rätselhaften Kriterien an Bord gelassen.
Ab jetzt beginnt der angenehme Teil der Reise. Da die Überfahrt ca. 20 Stunden dauert, haben wir eine Kabine (mit Meerblick) gebucht. Diese Kabine entpuppte sich als geradezu luxuriös, wie überhaupt der gesamte, auf mehrere Stockwerke verteilte Bereich für die Passagiere. Als Neulinge auf einer so großen Fähre staunten wir über Restaurant, Bar, Pool, Diskothek, Einkaufszentrum und u.a. den Hundeausführbereich.
Klingt gut, nicht wahr?
Aber trotzdem. Wir sind mental noch nicht auf dem Weg zum Urlaub auf der Wonder of the Seas.
Also insgesamt ist die Fahrt nach Palermo sehr angenehm, die Nachtruhe bei leichtem Vibrieren perfekt und der Aufenthalt relativ kurzweilig. Allein die Qualität des Essens und das Servicepersonal haben keinen Stern verdient.
Wir sind da. Erster Tag in Palermo.
Nach einer angenehmen Nacht im Wohnmobil auf dem Campingplatz La Playa in Isola delle Femmine fahren wir mit dem Zug in die Altstadt von Palermo. Unsere Haltestelle ist "Palazzo Reale" benannt nach dem auch Palazzo dei Normanni genannten Gebäude, das beginnend mit dem 11. Jahrhundert als Regierungssitz der normannischen Könige von Sizilien diente. Zu diesem Palast pilgern alle Palermobesucher wegen der Cappella Palatina. Und an diesem Mittwoch sind wir natürlich auch nicht alleine dort. Aber die Schlange am Eingang hält sich in Grenzen und wir betreten nach ca. 20 Minuten die heilige Halle und sind überwältigt von den biblischen Szenen aus farbigen und mit Blattgold verzierten Glas-Mosaiken.
Nachdem wir dieses "Muss" abgehakt haben, lassen wir uns einfach durch die Stadt treiben und erreichen zur Mittagszeit den Markt Ballarò, wo uns die ersten kulinarischen Höhepunkte erwarten. Es reiht sich Lokal an Lokal, wobei die Besonderheit ist, dass alle Gerichte im Freien präsentiert werden. Man setzt sich also nicht an einen Tisch und schaut in eine Speisekarte, sondern wählt zuerst an einem Tresen aus, was man essen möchte, wird dann an einen Tisch platziert und bekommt anschließend Stück für Stück seine Gerichte von - wie in unserem Fall - Antipasti über Garnelen bis zu Involtini vom Schwertfisch, serviert.
Da wir nicht wussten, wie groß die Portionen sind, haben wir uns bei der Bestellung etwas übernommen und konnten eine ganze Portion Antipasti im Doggiebag für das abendliche Vesper mitnehmen. Es war ein grandioses Mittagessen, teilweise sogar mit Livemusik untermalt.
Nachtisch geht immer. Heute in Form einer Granita al Limone, das was Suse abfällig Wassereis nennt. Aber es schmeckt nach Süditalien ( fresca, dissetante e cremosa) und ein echter Sizilianer isst es auch zum Frühstück zusammen mit einem Brioche.
Neben dem kulinarischen musste natürlich noch ein kulturelle Highlight her: Die Kathedrale von Palermo. Die, so waren wir uns am Ende einig, ist nur wirklich von außen und hinten schön. Sie hat ganz beeindruckende Mosaiken, die man nur sieht, wenn man sich auf der Rückseite der Kathedrale befindet.
Und weil die Besichtigung so anstrengend war:
Im Lokal vor der Kirche schon wieder eine Spezialität Siziliens: Brioscià. Ein süßes Hefebrötchen, gefüllt mit Eis nach Wahl. Das ist sozusagen der sizilianische Hamburger. Und entsprechend vorsichtig muss man ihn auch essen. Ich habe das ohne Kleckerei überstanden, ganz anders als am folgenden Tag das ganz normale Eis aus der Waffel.
Monreale - Wer wagt es, nicht dort gewesen zu sein?
Welche Kirche in Sizilien muss man unbedingt gesehen haben? Natürlich die Kathedrale Santa Maria Nuova in Monreale. Die byzantinischen Goldmosaiken aus dem 12. Jahrhundert sind so beeindruckend, dass man das auch ein zweites Mal tun kann. Und so fuhren wir mit einem Shuttlebus von unserem Campingplatz in das ca. 7 km entfernte Monreale, das uns auch als Ort sehr gut gefallen hat.
Artischocken bis zum Abwinken
Am folgenden Tag ist unser Ziel Cefalù. Wir machen aber zuerst einen Schlenker ins Landesinnere, in das Artischockendorf Cerda.
Cerda liegt in der Gebirgskette Madonie etwa 50 km südlich von Palermo. Und um das zu beschreiben, was wir hier erleben, muss ich eine Bewertung aus dem Tripadvisor zitieren. Man kann es nicht besser ausdrücken:
Wenn man auf Sizilien von Cerda spricht, wird jeder Sizilianer sofort fragen: „Ah, habt ihr Artischocken gegessen?“ „Ja, haben wir.“ „Im La Nasca 1 oder 2?“ – „Im La Nasca 2“. Auf 300 Hektar rund um Cerda wächst die Distel. Man kennt sich aus.
Eine der drei Töchter des Nasca-Klans, Gabriella, (sie war einmal Miss Palermo, wie Fotos an der Wand bestätigen) brachte uns wenig gesprächig zu einem der vielen Tische im großen Saal und entfernte sich ebenso wortkarg wieder. Wir harrten der Dinge. Ein 1-Liter-Krug mit Rotwein und eine große Flasche Mineralwasser wurden auf den Tisch gestellt. Es folgten Artischocken: Artischocken-Erdäpfel-Tortilla, Artischockensuppe mit Wildfenchel, Artischocken süß-sauer mariniert, Artischocken in Backteig, Artischocken gefüllt, Artischocken al forno (zum Auszuzeln). Ganz nebenbei gab es einen Teller mit verschiedenen Oliven, einen zweiten mit Salami und Käse. Danach Penne mit Artischocken und Penne mit Ricotta, Fenchel und Minze. Dann – „Madonna!“ – eine Grillplatte mit zweierlei Fleisch und Salsiccia, dann Cannoli, unentbehrlich bei jedem sizilianischen Menü. Der Kaffee verkündete das Ende. Auch wir waren am Ende. Ich bestellte ein Bett aber die Miss war für ein Lächeln nicht zu haben.
Für diesen Menü-Marathon bezahlten wir zu zweit Euro 36,--. Wer gerne Artischocken isst, sollte im Frühling einen Besuch in Cerda nicht versäumen.
Da auch wir im La Nasca 2 kein Bett bekommen haben, wollten wir so schnell wie möglich nach Cefalù fahren um dann dort mit einem ausgiebigen Mittagsschlaf das Menü in Cerda zu verarbeiten. Aber unser Wohnmobil machte uns einen Strich durch die Rechnung. Es sprang einfach nicht mehr an, als hätte es einen Mittagsschlaf nötig und nicht wir. Beim Gang durch den Ort hatten wir vor dem Essen eine Autowerkstatt, keine 100 m vom Lokal entfernt, gesehen. Die, ein sehr hilfsbereiter Mechaniker und eine neue Batterie waren die Lösung des Problems und wir konnten uns nach relativ kurzer Zeit auf den Weg nach Cefalù machen.
Der Stellplatz direkt am Meer
Achtung, es folgen einige ironische Bemerkungen, die vielleicht nicht ganz wörtlich zu nehmen sind:
Unsere Frauen finden in Cefalù auf dem Campingplatz Sanfilippe einen traumhaften Stellplatz. Links eine Wand mit Mosaiken allerdings keine goldenen, wie in Monreale, sondern aus grob behauenem Stein, rechts ein anderer Camper. Zwischen Anhängerkupplung des einen Camper und der Schnauze des anderen können wir durch ein Maschendrahtgitter das Meer sehen. Aber gute Nachricht: zum Strand sind es 5 Meter. Schlechte Nachricht: Zum Sanitärbereich sind es gefühlte 500 m, zum Kiosk 2 Km. Und ob wir unsere Autos unversehrt aus dem Loch wieder raus bekommen, ist die Frage, die übermorgen beantwortet werden muss.
Der folgende Tag war komplett Cefalù gewidmet.
Wir hatten uns zwar einen kleinen Stadtbummel vorgestellt, aber irgendwo war ein Schild mit "Rocca di Cefalù". Und so begeben wir uns, sozusagen mitten in der Stadt, auf eine Bergwanderung bei der wir immerhin 300 Höhenmeter überwinden. Man kann nur eines dazu sagen: Wenn man in Cefalù ist, muss man diese Wanderung unbedingt machen. Am Ende schaut man hoch über der Altstadt auf deren Gassen, Paläste und Kirchen und das türkisblaue Meer.
Der anschließende Stadtbummel führt uns zu einem Streetfoodlokal, in dem ich eine Spezialität der Gegend "Panini con la milza" probieren kann. Es handelt sich um ein Brötchen, das mit Kalbsmilz und Lunge gefüllt ist. Ergebnis der Bewertung: Interessant, muss man aber nicht nochmals haben.
Anschließend an unsere schweißtreibende Fahrradtour nach Cefalù und zurück gehen wir, da es ja nur 5 Meter zum Strand sind, zum Abkühlen in Wasser.
Ja, richtig gelesen! Ich gehe ins Wasser! Das heißt natürlich, dass die Wassertemperatur ca. 24 Grad ist.
Denn, wie jeder weiß: Ich gehe erst ab 25 Grad ins Wasser und ein bisschen kalt war es schon.
Damit jetzt keine langen Diskussionen aufkommen: Die Wassertemperatur ist vielleicht 20 Grad, aber sehr angenehm - wenn man mal drin ist.
Ein Kännchen Kaffee und eine Schwarzwälder Kirschtorte, denn es ist Sonntag
Heute ist Sonntag. Ist heute wirklich Sonntag? Im Urlaub verliert man komplett das Gefühl für die Wochentage. Aber ja, heute ist Sonntag und damit Ruhetag. Das muss auch mal sein. Und man kann die Gelegenheit hervorragend nutzen, um mit dem Wohnmobil in die erste Reihe vorzurücken. Jetzt sind wir nur noch durch den Zaun und 4 Meter vom Strand getrennt.
Nachmittags wollen wir einen Kaffee an einer Bar trinken und wandern am Strand entlang Richtung Süden, anschließend durch eine Siedlung mit neuen Häusern und edlen Anwesen um dann festzustellen, dass es in dieser Richtung nichts Weiters gibt. Also das Ganze zurück mit Ziel "benachbarter Campingplatz". Aber wo ist der Eingang. Nach einem Kilometer landen wir wieder in der Sackgasse, wie das oft in Italien so ist. Erneut zurück zu unserem Campingplatz und oh Wunder: Direkt 50 m neben unserem Stellplatz ist der Eingang zur Bar. Inzwischen ist es so spät, dass wir auf die Schwarzwälder verzichten und gleich zum Apero übergehen. Alles gut! Wir sind schließlich im Urlaub und müssen nicht um Punkt 16 Uhr Kaffee und Kuchen einnehmen. Campari Orange, Chips und kostenloses WLAN, was in Sizilien nicht die Regel ist, versöhnen uns mit den Anstrengungen des Nachmittags.
Isnello - oder "nur mit eingeklapptem Rückspiegel"
Durch das mehrmalige Umparken unseres Wohnmobils schaffen wir es am folgenden Morgen ohne Probleme uns aus unserem "Loch" herauszuarbeiten und machen uns auf ins Landesinnere nach Isnello im Parco delle Madonie, der Gebirgskette südlich von Cefalù. Dort müssen wir etwas tun, was man in Italien mit Wohnmobilen tunlichst vermeiden sollte: In die Altstadt fahren. Aber in Isnello war heute Markttag und zurück wäre auch keine Alternative gewesen. Also fuhren wir mit eingeklappten Spiegeln und Unterstützung der Dorfbewohner durch die Città Vecchia und schafften es auf unseren Stellplatz neben dem Friedhof, auf dem wir (ohne Wasser und Stromanschluss und ohne Toiletten) die Nacht verbrachten. Aber zuvor wanderten wir auf den 1075 m hoch gelegenen Monte Grotta Grande größtenteils durch blühende Frühlingswiesen und begleitet von bunten Schmetterlingen und exotischen Insekten. Wir wurden dann mit einem tollen Blick auf die umliegenden Berge und den Ort Isnello belohnt.
Traurig ist, dass Isnello , wie viele Bergdörfer in Italien, immer mehr an Bevölkerung verliert. Die jungen Leute ziehen auf der Suche nach Arbeit und besserer Ausbildung in größere Städte oder gar ins Ausland. Isnello hatte um das Jahr 1900 4500 Einwohner, heute sind es 1500. Eine ähnliche Entwicklung haben wir bei Wanderungen im Valle Maira im Piemont erleben, wo zum Teil ganze Dörfer völlig verlassen waren.
Stromboli - oder Capo di Milazzo?
Weiter geht es auf die Halbinsel Capo di Milazzo, von wo aus am nächsten Tag Rosa und Dieter eine Schiffstour auf die Liparische Inseln mit Panarea und Stromboli machen.
Fast an der Spitze der Halbinsel liegt unser Campingplatz Riva Smeralda. Das klingt gut und ist die Goldseite der Medaille. Aber es gibt auch die dunkle Seite. Der Campingplatz ist insgesamt sehr heruntergekommen. Ob das ein Tribut an die Vorsaison ist? Eher nicht. Denn mit wenig personellem Einsatz könnte man wenigstens die sanitären Anlage sauber halten. Die Toiletten waren es weitgehend, aber die Waschgelegenheiten eben leider nicht. Wären wir länger geblieben, hätte ich mir einen Lappen besorgt und mir meine kleine saubere Insel geschaffen. Denn große Konkurrenz für "mein" Waschbecken gibt es nicht. Es sind außer uns maximal 5 weitere Wohnmobile auf dem Platz.
Wenn wir schon bei diesem Thema sind.
Auffallend ist, dass in allen Restaurants und selbst in den kleinsten Bars die Toiletten außerordentlich sauber und - ich möchte fast sagen - edel sind. Das hätten wir im Süden Italiens nicht erwartet.
Agriturismo und die 15 Vorspeisen
Nachdem Rosa und Dieter in der Nacht wieder gut von ihrer Strombolitour zurück kamen, machen wir uns am auf den Weg nach Piazza Armerina um dann am folgenden Tag die Villa Romana del Casale zu besichtigen. Dabei ließen wir Top-Highlights wie Ätna, Taomina, Acireale, Catania und Siracusa einfach "links liegen". Das ging natürlich nur deshalb, weil wir im Jahr 2015 schon dort waren.
Erstes Ziel, ehe es dann zur römischen Villa ging, war in Piazza Armerina der Agriturismo Agricasale, der im Tripadvisor folgendermaßen angekündigt wurde:
"Wir wurden sehr freundlich empfangen und bekamen das bereits mehrfach gelobte Abendessen mit tatsächlich 15 verschiedenen Antipasti gefolgt von einem Kalbsbraten an Pistazien-Sauce mit Kartoffeln - fantastisch!.. Was wir wegen der Menge nicht essen konnten, bekamen wir eingepackt. Toller Ort abseits von Trubel und Hektik. Schöner gepflegter Pool und vor allem tolles Essen. "
Wie immer in Italien liegen solche Highlights nicht gerade an der Strecke. Und das war auch hier so. Anfahrt war schmal und holprig. Das Anwesen machte einen guten Eindruck, der Chef des Hauses war sehr freundlich. Die 2 Hunde auch. Der Platz für die Camper optimal. Also alles gut! Leider war die Antwort auf die Frage, wann es Abendessen gibt, nicht ganz befriedigend.
"Cena non c'è. (Es gibt kein Abendessen!) Die Köchin muss sich um ihre todkranke Mutter kümmern! Unsere Enttäuschung war riesig und deutlich.
"Ich habe eine rote Lampe leuchten sehen. Das bedeutet, dass meine Zigaretten ausgehen. Deshalb muss ich nochmal ins Dorf und könnte Ihnen etwas zum Essen mitbringen" war der Vorschlag des Capo.
Das war nicht nötig, denn wir hatten am Morgen eingekauft und konnten uns deshalb problemlos selbst versorgen.
Er brachte uns aber dann doch eine Schale Ricotta mit und lieferte auch gleich gratis ein Rezept dazu:
1. Nudeln kochen, Nudelwasser aufbewahren.
2. Ricotta auf die Nudeln geben und etwas vom Nudelwasser dazu.
3. Fertig.
Und tatsächlich: es schmeckte hervorragend.
In einem Punkt haben wir das Rezept etwas abgewandelt: Glatzi muss sein.
Nun gibt es immer noch Menschen, und mit solchen waren wir tatsächlich jetzt im Urlaub, die nicht wissen, was Glatzi ist. Deshalb: Was ist Glatzi?
Wir waren zwar mit dem Abendessen zufrieden. Ich gebe aber zu, ich hätte schon ganz gerne die 15 Antipasti und den Kalbsbraten probiert.
Villa Romana del Casale und der Bikini
Dazu braucht man eigentlich nichts zu sagen, außer "UNESCO-Weltkulturerbe", Bikinimädchen, 45 Räume, die alle mit Boden-Mosaiken bedeckt sind (insgesamt 3500 qm bei 120 Mio. einzelnen Steinen). Die Faszination dieser Mosaiken kann nicht annähernd durch die folgenden Bilder vermittelt werden. Es bleibt nur Eines: Man muss diesen Ort selber besuchen.
Die weiße Treppe der Türken
Einer der Tipps aus dem oben erwähnten Reiseführer und damit unser heutiges Ziel ist der Besuch der Scala dei Turchi. Es sind strahlend weiße Kalkfelsen, die treppenartig ins blaue Meer führen. Leider waren sie an diesem Tag nicht zugänglich, so dass uns ein großer Teil des Reizes entging. Denn auch wir wollten eigentlich - wie zahlreiche Models - uns auf dieser spektakuläre Naturkulisse präsentieren.
Weiter geht es zum Campingplatz Eraclea Minoa direkt am Meer.
Als ich - ja ICH!!! der ich eigentlich kein Badefanatiker bin - am Abend den Vorschlag machte, am folgenden Tag ans Meer zu fahren, und dort vielleicht 2 Tage zu bleiben, haben alle die Nase gerümpft. "Wir haben doch noch ganz wenig Zeit, knapp eine Woche... Für mich hörte sich das so an: "Wir wollen jetzt doch keine Zeit mehr verschwenden".
Wir hatten auf dem Zeltplatz in Eraclea Minoa kaum den Motor abgestellt, schon waren alle Drei verschwunden. Wohin wohl? Natürlich an den Strand !!! Und dort gab es später als Start in den Abend eine Flasche Weißwein mit Brot, Käse, Tomaten und Pistazien. Und als wir uns dann Gedanken über das eigentliche Abendessen machten, stand plötzlich ein Fischer vor uns und bot Gamberi und Tintenfisch an. Damit war die Entscheidung getroffen und es gab Spaghetti alla Marinara.
Am nächsten Tag war unser Wanderziel eigentlich die Ausgrabung von Eraclea Minoa. Aber die Hauptattraktion, das griechische Theater konnte nicht besichtigt werden, so dass wir einem neu angelegten Spaziergang hoch über dem Meer mit immer wieder beeindruckenden Ausblicken folgten. So wurde es ganz schleichend der 2. Tag am Meer! Nachdem die Frauen auf einer Strandtour eine Liveband im nahegelegenen Ristorante Garibaldi entdeckten, war das Abendessen auch an diesem Abend bei Jazzmusik gesichert.
Couscous mit Frutti di mare
Gibellina: Kunstwerke können enge Gassen nicht ersetzen
Erste Station des nächsten Tages ist die Ravida Azienda Agricola, die vor allem die Oliven der Sorte Nocellara anbaut und deren Öl immer wieder mit dem DOP Siegel ausgezeichnet wird. Obwohl es schon Mittagspause war, werden wir von der Dame des Hauses sehr freundlich empfangen und sie führt uns in perfektem Englisch durch die Produktionsstätten.
Insgesamt lagern dort ca. 40000 l bestes Olivenöl in 1000 l Fässern. Ein Rätsel ist für uns, wie diese Menge an den Kunden gebracht wird. Denn schon die paar Liter, die wir gekauft haben, beschäftigt 4 Personen und dauert gefühlte 2 Stunden.
Nächster Halt des Tages ist der Ort Gibellina Vecchia, ca. 50 km östlich von Marsala.
Im Januar 1968 wütete das letzte große Erdbeben auf Sizilien. Am Schlimmsten traf es das mittelalterliche Städtchen Gibellina, das fast vollständig zerstört wurde. Es wurde nicht wieder aufgebaut sondern unter dem Titel "Cretto di Burri" zum Kunstwerk. Nun ist es mit Kunstwerken ja so eine Sache. Wenn man liest, dass 80000 Quadratmeter Fläche mit Beton überzogen wurde, dann fragt man sich schon, ob nicht ein Kreuz oder ein kleines Denkmal ausreichend gewesen wäre, um dem Ereignis und vor allem der Toten und Geschädigten zu gedenken.
Wir wollten das selber beurteilen und machten uns auf den Weg ins Landesinnere, was in Sizilien immer bedeutet: Bergauf, Bergab, Kurve, Kurve, Kurve. Nach der x-ten Kurve öffnet sich die Sicht auf etwas, das wie die Hagelnetze am Bodensee oder anderen Obstanbaugebieten aussieht. Es ist Gibellina Vecchia. Wenn man sich dann in den Betonschluchten bewegt, wird man zwangsläufig an das Holocaust-Denkmal in Berlin erinnert und zumindest wir Vier waren tief bewegt und beeindruckt.
Für die Überlebenden des Erdbeben wurde ca 20 km entfernt die Stadt Gibellina Nuova gegründet. Viele bekannte Künstler schufen ehrenamtlich Kunstwerke für die neue Stadt. Dennoch wurde der Ort nie richtig angenommen und es stehen viele Wohnungen leer. Unser Empfinden beim Rundgang war:
"Die neue Stadt ist genauso ausgestorben und tot, wie die alte, zubetonierte Stadt." Man sieht hier sehr deutlich, dass gewachsene Strukturen wie z.B. ein mittelalterliches Stadtbild, die Pasticceria, die Bar an der Ecke, nicht einfach zu ersetzen sind.
Müll oder nicht Müll, das ist die Frage
Die Anfahrt zum Campingplatz Helios bei Selinunte war lang, führte durch Industriegebiete, die zum Teil von Müllhalden gesäumt waren. Das hatten wir in den vergangenen 14 Tagen nicht erlebt. Aber irgendwann waren wir am Platz und wurden durch den Capo eingewiesen. Nicht etwa, wo die sanitären Anlagen sind, nicht wo der Strom gezapft wird. Nein, die Einweisung erfolgte ausschließlich in die Mülltrennung. Dazu bekamen wir 5 identische Plastiktüten für Glas, Metall, Bio, Kunststoffe und Papier. Wir waren versucht zu fragen, auf welcher Seite der Zufahrtsstraße wir sie ablegen müssen. Und unsere Idee war dann, alles in eine Tüte zu stecken und auf dem Rückweg an den Straßenrand zu werfen. Dort würde der Sack wirklich nicht auffallen.
Aber wir sind gute Deutsche, denen die Mülltrennung schon ins Blut übergegangen ist.
Bei der Weiterfahrt am Morgen vom Campingplatz Richtung Hauptstraße stellen wir fest, dass uns dieser Müllberg am Tag zuvor so beeindruckt hatten, dass wir die 7 km, die wir durch sehr gut gepflegte Olivenhaine fuhren, völlig übersehen hatten.
Selinunte - oder der wilde Sellerie
Die Stadt Selinunte wurde 628 v. Chr. von den Griechen gegründet. Ihr Name leitet sich vom griechischen Selinon ab, das auf den wilden Sellerie hinweist, der in der Gegend wächst und der auch zum Symbol der Stadt wurde, so dass er in die Münzen eingraviert wurde. Die Stadt wurde dann 409 v. Chr. von den Karthagern und den Elymern von Segesta zerstört und kehrte nie zu ihrem früheren Glanz zurück. Zwischen den Ruinen lebten in der byzantinischen christlichen und arabischen Zeit kleine Gemeinden, aber ein Erdbeben im Mittelalter setzte der Geschichte von Selinunte endgültig ein Ende. Heute ist es der größte archäologische Park Europas und durch seine Lage hoch über dem Meer außerordentlich attraktiv.
Zwischen Marsala und Trapani: Das Salz des Meeres
An der Westküste liegen die Städte Marsala und Trapani. Sie werden verbunden durch die "Strada del Sale" an der sich die sogenannten Salzpfannen, große flache Wasserbecken mit unterschiedlichem Salzgehalt aneinander reihen. Die Gewinnung von Salz an diesem Küstenstreifen ist für die vergangenen dreitausend Jahre nachgewiesen. Bereits die Phönizier handelten Überlieferungen zufolge an dieser Stelle mit dem „Weißen Gold“, spätestens für die Zeit seit 1154 existieren schriftliche Belege für dessen Gewinnung.
Im Museo del Sale in Nubia erklärte uns ein sehr engagierter junger Mann die verschiedenen Stufen der Salzgewinnung in früherer Zeit und heute.
Entscheidend ist - und das haben die Phönizier vor 3000 Jahren schon erkannt - hoher Salzgehalt des Wassers, Wärme, flaches Ufer und Wind. Und diese Bedingungen sind an der Westküste Siziliens alle erfüllt. Vom Wind können wir uns selber einen guten Eindruck machen. Wir sitzen nämlich abends gemütlich am Essenstisch im Restaurant in Birgi Novi als uns ein Sturm (der berühmte Scirocco) plötzlich die Weingläser vom Tisch bläst und Millionen von Mücken mit sich bringt. Zumindest Ersteres ist gut für die Salzproduktion!
Sind wir denn auf Mauritius?
Aufgrund des starken Windes fuhren wir am nächsten Tag direkt auf den Campingplatz La Pineta in San Vito Lo Capo.
Folgendermaßen wird dieser Ort beworben:
"Klares, türkisblaues Wasser, kilometerlanger weißer Sandstrand, hier und da ein Palme, die Schatten spendet. Das ist Südseefeeling pur. Aber Moment, sind wir nicht in Italien? Ja, genau! Nämlich in San Vito Lo Capo auf Sizilien. Auf einer kleinen Halbinsel am Fuße des Monte Monaco genießen die Urlauber die Sonne und das Meer. Inzwischen hat es der Sandstrand, der paradiesische Ausmaße in Breite und Länge annimmt zu einer Berühmtheit gebracht. 2011 wurde der Strand mit seinem feinen Sand, und dem herrlichen Wasser vom Reiseportal Tripadvisor zum schönsten Strand Italiens gekürt."
Wir wollten natürlich auch am paradiesischen Leben teilhaben und gönnten uns abends ein Eis im "Saint-Tropez" von Sizilien. Aus unserer Sicht der Luxusort unserer Reise. Angefangen bei den Hotels bis hin zu den geschmackvollen Lämpchen auf den Tischen der Restaurants.
Nicht nur Baden am weißen Strand ist angesagt, sondern auch Wandern. Und das machten wir am folgenden Tag im Nationalpark Zingara auf der Ostseite der Halbinsel, an deren Spitze San Vito Lo Capo liegt.
Abschied in kleinen Schritten
Da der Campingplatz in Isola delle Femmini ein perfekter Ausgangspunkt für die Fahrt nach Palermo ist, übernachten wir noch einmal dort und machen uns am folgenden Morgen auf den Weg zur Fähre.
Und noch einmal: Drama Fähre
Wir sind ja keine Liebhaber von Kreuzfahrten oder anderen großen Schiffsreisen. Aber es ist natürlich außerordentlich praktisch, wenn man nach Sizilien will und dies mit der Fähre tut. In 20 Stunden ist man von Genova aus dort. Und wir waren auch überrascht, wie günstig es ist. Denn wir zahlten ca. 550 Euro für Hin und Zurück und hatten eine komfortable Kabine mit Meerblick. Auch sonst ist der Aufenthalt an Bord sehr angenehm.
Das wäre also alles ganz toll, wenn da nicht das wäre, was die Italiener "imbarcazione" nennen. Nämlich die Anfahrt zur Mole, die Formalitäten und das "auf das Schiff fahren". Ersteres war in Genua eine Katastrophe, das Zweite war nur klar, weil Starks schon vor 4 Jahren das Ganze durchgemacht hatten und letzteres war deshalb sehr nervig, weil kein System erkennbar war, nach dem man auf die Fähre gewunken wurde. Wir waren eigentlich unter den ersten 10 Fahrzeugen, wurden aber von mehreren Reihen neben uns überholt.
"So schlimm ist es dann in Palermo nicht" tröstet uns Rosa und mit diesem Trost machen wir uns am letzten Tag unseres Sizilienaufenthalts zum Hafen auf.
Es kam alles anders.
Wir finden problemlos zur Anlegestelle der Fähre, parken ca. 200 m entfernt, da wir noch Palermo genießen wollen und finden uns dann um ca. 20 Uhr dort ein. Auch hier sind wir unter den Ersten. Dann beginnt die Tortur. Eigentlich wäre es ja nötig gewesen, mal eine Toilette aufzusuchen, aber die gab es weit und breit nicht. Es kann ja nicht mehr lange dauern, bis man auf die Fähre darf! Das "nicht mehr Lange" dauerte dann 2 1/2 Stunden. Auf dem Weg zu Auffahrt haben wir mindestens 10 Halts eingelegt, immer mit der Hoffnung: Jetzt geht es endlich drauf. Aber erst mal waren die normalen PKW dran und zwischendurch wurden LKW verladen, und und und.
Aber zuerst genießen wir nochmals Palermo mit all seinen Schönheiten und zum Abschied erleben wir den ersten und einzigen Regen unserer Reise.
Und wenn jetzt jemand fragt: "Wie war das Wetter?". Dann lautet die Antwort: "Es hat geregnet. An unserem Abreisetag. Ca. 10 Minuten lang". Ansonsten hätte es von der Temperatur her und überhaupt nicht besser sein können.